Jedem Ende wohnt ein Anfang inne: wertvolle Tipps und Erfahrung zur Mahdgutübertragung

Um sich vernünftig mit dem Thema Mahdgutübertragung beschäftigen zu können, weiten wir zu Beginn einmal kurz unseren Blickwinkel auf das große und ganze.

Es ist Sommer und viele Naturfreunde stellen sich die Frage, wie die Blühwiese am besten zu mähen ist! Umso spannender wird die Frage, wenn die Artenvielfalt und das lebendige Treiben in der Wiese dabei geschützt werden soll.

Grund für uns, das Thema Wiesenmahd einmal genauer zu betrachten. Ein ganz besonders wichtiger Aspekt beim Mähen der Wiese ist auch der Umgang mit dem Mahdgut – also mit den abgemähten Pflanzen. Wie Du vielleicht weisst, bevorzugen Blühwiesen magere Böden. Vielfach wird deshalb die Extensivierung der Wiese empfohlen. Das bedeutet, nach dem Mähen wird das Mahgut abgetragen. Die im Mahdgut enthaltenen Nährstoffe werden der Blühwiese dabei entzogen.

Eine Mahdgutübertragung ist aufwendig. Dass es sich lohnt, zeigt dieses Bild einer erfolgreichen Übertragung in der Stadt Zons, zwischen Köln und Düsseldorf gelegen. Hier finden Insekten ausreichend Nahrung und Rückzugsräume.

Aus eins mach zwei? Wie das Mahdgut die Entwicklungziele der Blühwiese beeinflusst.

Das Thema Mahdgut ist noch aus einer ganz anderen Sicht sehr spannend: denn mittels Mahdgutübertragung können gleich mehrere Entwicklungsziele der Blühwiese positiv beeinflusst werden. Entsprechend wichtig ist uns Naturpaten, an dieser Stelle über Mahdgutübertragung zu berichten. Ganz besonders freut es uns, dass Martin Kaspers als ausgewiesener Fachmann und studierter Botaniker diesen Blogbeitrag unterstützt.

Martin ist Botaniker und Experte in Sachen Mahdgutübertragung

Martin hat sich über einen längeren Zeitraum fundiert mit allen Aspeketen der Mahdgutübertragung beschäftigt. Seine Expertise stellt er in Form dieses Gastbeitrag zur Verfügung. Seine Masterarbeit hat Martin im Bereich des Naturschutzes und der Landschaftsökologie geschrieben. Er befasst sich dabei mit der Mahdgutübertragung und dessen Effizienzkontrolle im Kreis Neuss. Martin ist aktuell aktiv in der Projektstelle Grünlandqualifizierung der Unteren Naturschutzbehörde Kreis Recklinghausen. Wir sagen vielen Dank an Martin, den Du hier auf social media findest.

Wie die Mahdgutübertragung deiner Blühwiese helfen kann

Die gängigste Methode bei der Aufwertung von Grünland zu einer Blühwiese ist die klassiche Einsaat. Am besten ist den Insekten in der Blühwiese geholfen, wenn zertifiziertes Regio-Saatgut zum Einsatz kommt. Jedoch ist eine Einsaat aus ökologischer Sicht nicht der höchste Standard. Die sogenannte Mahdgutübertragung gilt als die hochwertigstes Methode, um artenreiches Grünland zu entwickeln. Was unter einer Mahdgutübertragung zu verstehen ist, wie sie funktioniert und was die Vor- und Nachteile gegenüber einer Einsaat sind – all das erfährst Du in diesem Artikel.

Jedem Ende wohnt ein Anfang inne. Und jedem Anfang wohnt ein Zauber inne. Der uns beschützt und der uns hilft, zu leben.

Ich weiß nicht sicher, ob Hermann Hesse bekennder Mahdgut-Freund war. Sein Zitat finde ich trotzdem sehr schön! Es ist jedenfalls ein sprechendes Sinnbild dafür, wie durch die Übertragung von Mahdgut die Artenvielfalt ausgdehnt werden kann.

Wie die Mahdgutübertragung funktioniert

Die Mahdgutübertragung wird seit rund 15 Jahren zur ökologischen Aufwertung bundesweit verwendet. Im Grunde ist der Ablauf ganz simpel erklärt: Man nehme Mahdgut von artenreichen Grünlandflächen und streue dieses Mahdgut auf die Flächen, welche man aufwerten möchte. Bei dem Begriff Mahdgut handelt es sich um etwas feuchteres Heu, da es nach dem Mähen nicht gewendet wurde.

Was gilt es beim Ablauf zu beachten?

Viele Faktoren tragen dazu bei, dass eine Mahdgutübertragung überhaupt erst erfolgreich wird. Es müssen zunächst geeignete Spenderflächen gefunden werden, d.h. Flächen die bereits eine hohe Biodiversität an Pflanzen aufweisen. Außerdem müssen diese Flächen auch eine ausreichende Größe haben. Denn um einen Hektar Grünland aufzuwerten, benötigt man Mahdgut von einer Spenderfläche, die etwa dreimal so groß ist.

Außerdem ist es unabdingbar, dass sich Spender- und Empfängerfläche ähneln. Das bedeuted, dass sie zum Beispiel gleiche Bodenverhältnisse aufweisen. Zusätzlich dazu dürfen keine großen Distanzen zwischen Spender,- und Empfängerflächen liegen. Denn schließlich muss sichergestellt werden, dass das Mahdgut auch heil ankommt. Durch kurze Distanzen werden gleichzeitig auch die Transportkosten minimiert :-).

Im Bild oben ist eine sehr gut vorbereitete Empfängerfläche zu sehen. Die Rundballen sind bereits abgeladen und wurden dann über die Fläche abgerollt. Solch großflächigen Übertragungen sind eher selten, da geeignetes Spendermaterial selten ist. Des Weiteren wird dies nur auf Flächen durchgeführt bei der eine Nutzungsänderung stattfinden soll. Dies ist zum Beispiel der Fall, wenn aus einem ehemaligen Acker eine Grünlandfläche entstehen soll.

Viel hilft viel? So einfach ist es leider nicht!

Eine hohe Artenvielfalt alleine reicht leider nicht aus. Denn in der Spenderwiese müssen die gewünschten Zielarten auch in einer hohen Abundanz (Botaniksprech für Häuifgkeit in Hülle und Fülle) vorkommen. Erst wenn dies gegeben ist, macht eine Übertragung Sinn. Darüber hinaus sollten Problempflanzen auf der Spenderfläche fehlen, oder nur sehr selten vorkommen. Die Übertragung übermäßig dominanter Arten sollte vermieden werden. Möglich ist es auch diese Pflanzen gezielt vor der Übertragung aus der Fläche zu entfernen.

Wann ist der beste Zeitpunkt für die Mahdgutübertragung?

Auch der Zeitpunkt der Mahdgutübertragung spielt eine große Rolle beim Erfolg einer Mahdgutübertragung. Der Zeitpunkt muss an die gewünschten Zielarten und an deren Samenreife angepasst sein. Bei einer typischen Flachland Glatthaferwiese ist das meistens Anfang bis Mitte Juli der Fall.

Spätfruchtende Arten, wie z.B. die Wilde Möhre werden dabei nicht mit übertragen. Hier macht dann ein manuelles Sammeln solcher Zielarten zu einem späteren Zeitpunkt Sinn. Wählt man den Zeitpunkt zu spät, so fallen bei vielen Arten die Samen bereits zum Grund und werden nicht mehr übertagen.

Eine gute Vorbereitung der Empfängerfläche ist mindestens genauso wichtig wie die richtige Auswahl der Spenderfläche.

Die richtige Vorbereitung der Empfängerfläche macht es aus.

Wenn eine passende Empfängerfläche gefunden ist (also die Standortfaktoren mehr oder weniger gut übereinstimmen), muss die Empfängerfläche vorbereitet werden. Dies entspricht in etwa der Vorbereitung, wie man auch vorgehen würde, wenn man eine Fläche neu einsäen würde. Der Boden muss also offen sein, damit die Konkurrenz der vorhandenen Arten nicht zu groß ist. Die Samen aus der Spenderwiese sollten auf offenem Boden landen können. Dabei wird das Mahdgut nur in den wenigsten Fällen großflächig aufgebracht. Gängiger ist es, das Mahdgut in Form von Streifen zu übertragen. Dies ist vor allem dann der Fall, wenn bestehendes Grünland biologisch verbessert werden soll.

Ab dem ersten Jahr kann man bereits bemerkenswerte Unterschiede zwischen den Mahdgutstreifen und dem alten Grünland erkennen. Im Beispielbild oben blühte bereits Anfang Mai der Scharfe Hahnenfuß (gelb) auf dem linken Mahdgut-Streifen. Im rechten Bereich fehlt dieser fast vollständig.

Gutes Heuwetter in der Früh: jede Minute zählt!

Ist die Fläche vorbereitet kann die Mahdgutübertragung stattfinden. Auch hierbei gibt es einige Sachen zu beachten, um den Erfolg der Maßnahme zu erhöhen. Bei gutem Heuwetter in der Früh sollten die Flächen gemäht werden und einmal geschwadet werden. Danach ist das Mahdgut sobald möglich in Ballen zu pressen oder auf einen Ladewagen aufzunehmen. Je mehr Zeit zwischen diesen Arbeitsschritten vergeht, desto mehr Samen fallen nach unten. Auch potentiell übertragbare Insekten verlassen dann die Schwaden.

Wie wird das Mahdgut am besten transportiert?

Abzuwägen ist wie man das Mahdgut zur Empfängerfläche transportiert. Das Verladen auf einen Ladewagen ist vor allem dann praktisch, wenn entweder die Empfängerfläche klein ist, oder wenn die Empfängerfläche in unmittelbarer Nähe liegt. Denn mit einem Ladewagen kann man nur geringe Mengen an Mahdgut transportieren. Der Vorteil beim Ladewagen liegt darin, dass man das Mahdgut relativ gleichmäßig und maschinell auf die Empfängerfläche verteilen kann. Dies spart sowohl Zeit als auch Arbeitskraft.

Rundballen sind vor allem für weitere Strecken sinnvoll.

Benötigt man jedoch große Mengen an Mahdgut oder muss dieses weite Strecken transportieren, ist es von Vorteil das Mahdgut in Ballen zu presse. Problem hierbei ist, dass man die Rundballen auf der Empfängerfläche per Hand ausrollen und dann verteilen muss. Dafür benötigt man zahlreiche motivierte und körperlich leistungsfähige Helfer, da die Rundballen sehr schwer sind. Mit der eigentlichen Mahdgutübertragung ist aber ein Erfolg nicht garantiert, denn mindestens genauso wichtig wie die Vorbereitung ist die Nachbereitung. Hier im Bild ist die Anlieferung der Rollballen zu sehen. Eine solche Menge an Mahdgut mit Ladewagen zu transportieren ist bedeutend zeitintensiver und kostspieliger.

Wie funktioniert die Nachbereitung der Mahdgutübertragung?

Als Nachbereitung wird die Folgenutzung der Empfängerfläche verstanden. Es muss dabei geregelt werden, inwiefern die Empfängerfläche weiter genutzt werden soll. Ohne Nutzung würde ein nachhaltiger Erfolg ausbleiben, weil sich dann die unerwünschten und konkurrenz-starken Arten, wie Stumpfblättriger-Ampfer oder Goldrute, schnell wieder ausbreiten würden.

Dominante Arten im Blick behalten: der Stumpfblättrige Ampfer.

Typisch für die oft überdüngten Böden der Landwirtschaft, ist ein hohes Vorkommen vom Stumpfblättrigem Ampfer. Es kann passieren, dass sich diese Art massiv auf der präparierten Fläche ausbreitet. Um dem entgegenzuwirken, kann man die Empfängerfläche bereits im ersten Jahr mähen und im Folgejahr bereits relativ früh mähen. So wird das Wachstum des Ampfers unterdrückt und die gewünschten Zielarten können sich besser durchsetzen. Weiterhin hilfreich ist es, im ersten Jahr aufkommende Problempflanzen per Hand zu entfernen. Damit verhinderst Du eine weitere Ausbreitung oder minimierst diese zumindest. Kontrolle und adaptierte Maßnahmen sind damit weitere wichtige Faktoren für eine erfolgreiche Mahdgutübertragung.

Eine Mahdgutübertragung kann leicht aufwendig werden.

Wenn Du bis hier her gelesen hast, wirst Du zustimmen, dass der hohe Arbeitsaufwand und auch das benötigte Wissen ein Nachteil gegenüber einer Einsaat mit heimischen Arten sind. Außerdem ist eine Mahdgutübertragung meistens auch mit deutlich höheren Kosten verbunden.

Es ist zudem nicht immer leicht, geeignete Spenderflächen zu finden, ebenso wie die motivierten Helfer und Helferinnen.

Du fragst dich vielleicht: Wofür also dieser hohe Arbeitsaufwand?

Der große Vorteil der Mahdgutübertragung ist, dass nur die Arten übertragen werden, die in dem Gebiet auch vorkommen und nicht – wie bei manchen Saatgutmischungen – fremde Arten eingebracht werden. Es wird quasi eine Kopie der artenreichen Spenderfläche erstellt und so wird einer Florenverfälschung aktiv entgegen gewirkt. Die ökologischen Strukturen und Beziehungen bleiben so intakt. Außerdem überleben viele Insekten und anderes Getier diesen Vorgang und werden direkt mit übertragen, sodass sich deren Bestände ebenfalls ausbreiten können und neue Lebensräume direkt erschlossen werden.

Fazit: Vorteile und Nachteile der Mahdgutübertragung

Aus ökologischer und nachhaltiger Sicht hat die Mahdgutübertragung vielfältige Vorteile. Die bedeutendsten sind dabei:

  • es werden vorwiegend heimische Arten übertragen, welche in der Spenderwiese bereits verbeitet sind
  • der Schaden für die Insekten in der Blühwiese ist gering
  • die ökologischen Strukturen der artenreichen Spenderwiese bleiben intakt
  • keine Floraverfälschung durch unpassendes Saatgut
  • gleichzeitige Ausmagerung der Spenderwiese

Wer eine Mahdgutübertragung erwägt, sollte sich auch mit dem Aufwand beschäftigen. Dieser liegt vor allem in:

  • deutlich arbeitsaufwendiger als klassische Begrünung durch Aussaat
  • Große Auswirkungen, wenn geplantes Zeitfenster nicht optimal getroffen wird
  • Erfolg nicht garantiert und abhängig von vielen Faktoren
  • höhere Kosten für Transport

Wir hoffen, einige angehende Naturpaten mit diesem Beitrag neue Impulse gegeben zu haben. Dass der Aufwand sich lohnt, sieht man spätestens dann, wenn sich in der Empfängerwiese eine herrliche Artenvielfalt einstellt. Wie wir sehen, ist eine Mahdgutübertragung eine Aktivität, die von Erfahrung und Expertise profitiert. Wir möchten Euch ermutigen, Eure Fragen hier in den Kommentaren mit uns und allen Naturpaten zu teilen, sodass wir gemeinsam lernen und wachsen können.

Artenschutz für Alle und vielen Dank an Martin!